Das Reinheitsgebot für Bier von 1516
Allgemein ist (besonders unter Bierfreunden und –trinkern) das (bayerische!) Reinheitsgebot von 1516 bekannt, das vom bayerischen Herzog Wilhelm IV erlassen wurde. Es ging darum, die Qualität des Biers, damals ein Hauptnahrungsmittel der Bevölkerung, zu verbessern. Diese Verordnung besagte, dass zum Bierbrauen nur Gerste, Hopfen und Wasser verwendet werden dürfe. (Malz wurde nicht erwähnt).
Die Rolle der Hefe kannte man damals noch nicht. Diese wurde erst viele Jahre später entdeckt. Erste wissenschaftliche Arbeiten zur Hefe gab es zur Zeit der Erfindung des Mikroskops durch den Niederländer Antoni van Leeuwenhoek (1632 – 1723). Louis Pasteur (1822 – 1895) beschrieb in seiner Arbeit „Ếtudes sur la bière“ (Studien über das Bier), dass Hefe aus Mikroorganismen besteht und die Anwesenheit dieser Organismen von essentieller Bedeutung für den Gärungsprozess ist. Sehr viel später hat man dann Reinzuchthefen entwickelt und dem Brauvorgang zugesetzt, um immer eine gleiche Bierqualität zu erhalten.
Vor dem Reinheitsgebot wurden zum Bierbrauen z.T. abenteuerliche Zutaten (die nicht immer gesund waren!) verwendet, so z.B. verschiedene Kräuter (u. a. Rosmarin), Harz, Sumpfporst, Bilsenkraut u.a.m. Um dunkles Bier zu erhalten, wurde auch Ruß zugegeben, Kreidemehl diente dazu, sauer gewordenes Bier wieder „genießbar“ zu machen. Es wird auch von der Zugabe von Fliegenpilzen zur „besonderen“ Verfeinerung berichtet.
Weniger bekannt ist jedoch, dass es schon 1434 (also 82 Jahre vor dem bayerischen Reinheitsgebot) ein Reinheitsgebot gab, und zwar im mittelalterlichen Runneburg im thüringischen Weißensee. Dieses Dokument wurde erst 1998 entdeckt. Diese Wirtshausverordnung „Statuta taberna“ legte fest, dass Bier nur aus Hopfen, Malz und Wasser gebraut werden darf (Artikel 12). Die Zugabe von Harz und andere „Ungeferck“ war bei Strafe (Zwei Mark und Verbannung aus der Stadt für vier Wochen!) verboten.
Noch heute darf Bier, das nach dem Reinheitsgebot von 1516 gebraut wird, nur unter Verwendung von Hopfen, (Gersten-) Malz, Hefe und Wasser hergestellt werden. Jedoch sind in der Gesetzgebung der Europäischen Union viele Zutaten erlaubt, die im EU-Raum zum Bierbrauen und folgenden Prozessen verwendet werden dürfen, so z.B. Milchsäure (E 270), Ascorbinsäure (E 300), Natriumascorbat (E 301), Zitronensäure (E 330) sowie Acacia Gum (E414). Für alkoholfreies Bier in Kegs ist auch die Zugabe vom Konservierungsmittel Benzoesäure (E 210) und deren Salze (Natrium-, Kalium- und Calciumsalz) (E 211, E 212 du E 213) zugelassen. Daneben sind auch Propan-1,2-diol-alginat (E405) (bis 100 mg/l) sowie Schwefeldioxid (E 220) und Sulfite (E 221 – E 228) bis zu einer Konzentration von 20 mg/l erlaubt. Bei der Bereitung von obergärigem Bier (so z.B. „Altbier“ aus Düsseldorf oder „Kölsch“ aus Köln) sind auch die Verwendung von „anderem Malz“ und die Verwendung von technisch reinem Rohr-, Rüben- oder Invertzucker sowie von Stärkezucker und aus Zucker der bezeichneten Art hergestellte Farbmittel zulässig. (Vorläufiges Biergesetz vom 29. Juli 1993, § 9). Des weiteren dürfen als Klärmittel für Würze und Bier nur solche Stoffe verwendet werden, die mechanisch oder adsorbierend wirken und bis auf gesundheitlich, geruchlich und geschmacklich unbedenkliche, technisch unvermeidbare Anteile ausgeschieden werden. Höchstmengen werden vom Gesetzgeber nicht genannt…
Vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wurde 1987 entschieden, dass Bier, das nach deutschem Recht nicht zugelassene Zutaten enthält, in Deutschland trotzdem verkehrsfähig ist, sofern diese Zutaten im Ausfuhrstaat für Bier zugelassen sind. Diese anderen Zutaten müssen jedoch kenntlich gemacht werden. Es entfällt natürlich der Hinweis „Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516“. Man kann stundenlang über die gesundheitsschädliche Wirkung der verschiedenen Zusatzstoffe diskutieren. Fakt ist jedoch, dass der Alkohol sicherlich am „gesundheitsschädlichsten“ ist, sofern man zu viel und zu häufig trinkt (siehe unten!).
Das Reinheitsgebot legt lediglich die Zutaten fest und besagt jedoch nichts über neue technologische Verfahren, wie z.B. Schnellreifung und Druckgärung sowie die Verwendung von sog. „Turbohefen“, die auch ohne Gentechnik hergestellt werden können. Wenn die Gärung und die Reifezeit von sechs Wochen auf zwei Wochen verkürzt wird, und zwar durch beschleunigte Entwicklung der Aromastoffe, so kann man von einem Bier nicht die gleichen Eigenschaften erwarten, wie bei einem klassischen Bier, das genügend Zeit hatte, all’ seine Wirkstoffe und Eigenschaften zu entwickeln.
Um die Haltbarkeit des Bieres zu verlängern, wird in den großen, industriellen Brauereien weitestgehend das Bier pasteurisiert, d.h. einer Hitzebehandlung von etwa 68 bis 70 °C unterzogen, um vorhandene Mikroorganismen abzutöten. Dieser drastische Eingriff, bei dem das Bier durch einen Hitzeschock aus der Ruhe des Lagerkellers herausgerissen wird, sorgt zwar für eine längere Haltbarkeit, beeinträchtigt aber den echten Geschmack, Geruch und die Farbe des Bieres. Es leiden der frische und aromatische Geruch und Geschmack und das Bier wird etwas dunkler. Kleine Brauereien verzichten auf eine Pasteurisation und auf eine verlängerte Haltbarkeit: zumeist wird auf den Flaschen eine Mindesthaltbarkeit von etwa vier Wochen angegeben: Dies genügt bei regionalem Vertrieb durchaus.
Wenn man also Bier trinkt, das nach dem Deutschen Reinheitsgebot von 1516 gebraut wurde, hat man die Sicherheit, dass keine anderen Zusatzstoffe (s. o.) enthalten sind, obwohl durch Anwendung modernster technologischer Verfahren es sich nicht unbedingt um ein Bier im herkömmlichen, klassischen Sinne handeln muss.
Es soll im Rahmen dieser Abhandlung nicht über die gesundheitsfördernden und gesundheitsschädlichen Eigenschaften des Biergenusses eingegangen werden. Ein moderater Genuss ist ganz gewiss nicht gesundheitsschädlich. Wie sagte schon der große Arzt und Gelehrte Paracelsus (1493 – 1541): Omnia sunt venena, nihil est sine veneno. Sola dosis facit venenum! (Alles ist Gift, nichts ist ohne Gift! Allein die Dosis macht das Gift!) Nota bene: Dies gilt für alle Lebensbereiche, nicht nur Essen und Trinken!
Text: Nikolaus Barkow