Im Namen von Slow Food Hamburg, durch Barbara Retzlaff – langjährige Wegbegleiterin
Burchard Bösche ist am 23.10.2019 nach schwerer Krankheit von uns gegangen.
Im Folgenden einige Erinnerungen von mir:
Er war Mitbegründer des Hamburger Conviviums und hat es von 1996 bis 2004 geleitet. Ich lernte ihn vor 18 Jahren kennen, als ich als frisches Slowfood-Mitglied zu einer Veranstaltung im Gasthaus Heimbuche ging. Als ich nach der Tagesordnung fragte, sagte er freundlich: „So,jetzt essen wir erst mal was.“
Das war sein Credo. Über das Essen brachte er die unterschiedlichsten Menschen quer durch die Ideologien und Gesellschaftsschichten an einen Tisch.
Wir haben ihn bis zum Schluss häufig um Rat gefragt und ihn auch bekommen. Er hat sein Wissen mit allen, die das wollten, geteilt. Konkurrenzdenken war ihm fremd. Dazu hatte er zu viele Ideen und konnte dafür begeistern.
Er war ein Genussmensch, und als solchem lagen ihm als Bauernsohn Milch und Käse besonders am Herzen.
Vor 20 Jahren hat er daher als unsere jährliche zentrale Veranstaltung den Käsemarkt am Kiekeberg mitbegründet und ein Jahr später war er wesentlich beteiligt an der Gründung der Käsestraße Schleswig-Holstein.
Als begeisterter Italienreisender war er schon früh mit Slow Food und seinem Gründer Carlo Petrini zusammengetroffen. Genuss am Essen und am Wein hat ihn geprägt. Eine seiner letzten Arbeiten „Das Fest ist ein Essen – das Essen ein Fest“ beschreibt seinen kulinarischen Lebensweg zusammen mit seiner Frau Anne Moderegger .
Burchard Bösche war auch Historiker mit Leib und Seele. Ich erinnere mich an die spektakuläre Veranstaltung, bei der das Menü anlässlich eines Besuchs von Bismarcks in der Hansestadt nachgekocht wurde. Er brachte die Bismarck Gesellschaft – sehr konservativ – mit den Slowfoodies – sehr alternativ – zum Essen an einen Tisch.
Burchard kam aus einer Bauernfamilie, und diese Wurzeln war ihm heilig. Er erzählte viel von den eigenen Kühen und deren Milch, von seinen Geschwistern und vor allem von Tante Lotti, einer unverheirateten Tante. Die brachte er dazu, ihre Erinnerungen an Feldarbeit, Brot backen, Melken usw. zu Papier zu bringen und machte daraus eine Website „tantelotti“.
Nach der Schule lernte er Gemüsehändler, ehe er Anwalt wurde. Daher wusste er genau, wovon er redete, wenn es um Landwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel ging. Nicht aus dem Elfenbeinturm nur über den Genuss, sondern auch von den Mühen der Landwirtschaft und den schmalen Margen im Einzelhandel konnten wir mit ihm diskutieren.
Gut erinnere ich mich an unsere herbstlichen Besuche im Apfelgarten, einer aufgelassenen Plantage bei Neugraben, wo wir mit Kindern, die Äpfel nur vom Discounter kannten, die kleinen Äpfel ernteten, um vor Ort Apfelsaft zu pressen. Freigebig wurde der Apfelsaft in mitgebrachte Gefässe ausgeteilt. Burchard und Anne nahmen den Saft für ihre Apfelweinproduktion mit nach Hause.
Ich erinnere mich an ihr Reihenhaus mit dem schmalen Garten und den Hahn mit seinen zwei Hennen, die regelmäßig nach ihrem natürlichen Dahinscheiden ersetzt wurden. Dort haben wir kulinarische Feste gefeiert, organisiert von seiner Frau Anne.
Genossenschaften waren sein historisches Lieblingsthema. Vor allem versuchte er, die Männer und Frauen, die sich für die Versorgung der kleinen Leute mit guten und fair hergestellten Lebensmitteln seit 150 Jahren einsetzten, mit Biografien der Vergessenheit zu entreißen. Ein Ergebnis war z.B. auch das kleine Konsummuseum im Gewerkschaftshaus Hamburg – jedem Slowfood-Mitglied, das Hamburg bewohnt oder besucht, zu empfehlen.
Burchard Bösche war ein freundlicher, warmherziger und jedem zugewandter Mensch. Wir vermissen ihn schmerzlich.
Barbara Retzlaff (stellv. Convivienleiterin)