Die Geschichte der Käseproduktion in Schleswig-Holstein
Erst ab dem Ende des 16. Jahrhunderts kann man in den Herzogtümern Schleswig und Holstein von einer Milchwirtschaft sprechen, die über den Eigenbedarf hinausgeht. Die Milchmengen waren noch gering und lagen bei 800 – 1.000 Liter pro Kuh und Jahr (heute fast das zehnfache). Ein wichtiger Anstoß ging von holländischen Flüchtlingen aus, die ihr Land wegen ihres Glaubens verlassen mussten und in nicht geringer Zahl in die nach Schleswig und Holstein kamen. Sie führten eine Milchverarbeitung ein, die noch lange mit dem Begriff “Holländereien” bezeichnet wurde. Sie pachteten auf den Gütern die Kühe, für deren Aufzucht und Futter weiterhin das Gut zuständig war. Die Holländer kümmerten sich ums Melken, die Verarbeitung der Milch und deren Verkauf. Aber die Holländer sorgten auch für die Einfuhr leistungsfähiger Rinderrassen, um das Milchaufkommen zu steigern.
Die Milchwirtschaft nahm einen schnellen Aufschwung. Bekannt sind die Zahlen von der Halbinsel Eiderstedt. Über die amtliche Waage im Hafen von Tönning gingen im Jahre 1583 Käseausfuhren nach anderen Städten, vorwiegend Hamburg und Bremen, von 1,5 Mio. Pfund. 1610 waren es bereits 3 Mio. Pfund, was bedeutet, dass dafür rund 15 Mio. Liter Milch verarbeitet werden mussten.Auf den großen Gütern Ostholsteins reicht die Käseproduktion teilweise noch länger zurück. So ist sie für Gut Behl bei Plön bereits im Jahre 1578 urkundlich belegt.
Mit den Rückständen der Käse- und Butterproduktion, der Molke und der Buttermilch, mästeten die Holländer sich Schweine. Man rechnete ein Schwein auf 10 Kühe, womit sich die Holländer ein gutes Zubrot verschafften. Die Durchschnittsgröße einer Gutsholländerei soll bei 150 Kühen gelegen haben, es sind aber auch Betrieb mit 600 Kühen bekannt geworden, wie z.B. Kronshagen bei Kiel.
Die Milchverarbeitung lag in den Händen der Meierin, die meist die Frau des Holländers war. Sie hatte eine Schar von etwa 10 Milchmädchen zur Hilfe, die vielfach aus dem Ausland kamen, u.a. aus Schweden, und um deren “Sittenlosigkeit” sich zahlreiche Legenden ranken. Der Holländer selbst wickelte den kaufmännischen Teil des Unternehmens ab, sorgte für Verkauf und Auslieferung. Ab dem 18.Jahrhundert finden sich dann immer mehr Güter, die die Kühe nicht mehr verpachteten, sondern die Milchwirtschaft selbst führten und einen angestellten Meieristen hatten. Ende des 19. Jahrhunderts sind die Holländer als selbständiger Berufsstand nahezu ausgestorben. Dazu trug maßgeblich die technische Entwicklung mit Dampfkraft, Elektrizität und vor allem der Zentrifuge bei, die rationeller in Sammelmolkereien einzusetzen waren, die meist als Genossenschaftsmeiereien betrieben wurden. Allein 1888 wurden 251 neue Genossenschaftsmeiereien gegründet. Bis 1912 gab es in Schleswig-Holstein 1.069 Meiereien, die nahezu eine Milliarde Liter Milch pro Jahr verarbeiteten. Käsesorten
Die meisten Käse der Holländer waren Magermilchkäse, die auch Holländerkäse genannt wurden. Oft brachten sie den höchsten Ertrag, da aus dem Ausgangsprodukt Vollmilch ja auch noch Rahm und daraus Butter hergestellt werden konnte. Jedoch gab es auch andere Käsearten entsprechend den Anforderungen des Marktes. Eine noch heute bekannte holsteinische Käseart von weicher Konsistenz, die wahrscheinlich auf die Holländer zurückzuführen ist, ist der Wilstermarschkäse. Auch Gouda- und Edamerkäse, wie sie in Schleswig-Holstein hergestellt werden, dürften von den eingewanderten Holländern kommen.
Wilstermarschkäse (A. Niemann, 1821):Die verschiedenen in der Wilstermarsch vorkommenden Arten der Käse, nach der Beschaffenheit und Mischung der Milch mit eigenem Namen benannt, sind folgende. Die vornehmsten, die Rahmkäse, aus einem Teil Rahm, gewöhnlich mit dem Zusatz zwölfstündiger nicht abgerahmter Milch, werden fast nur auf Bestellung und zu besonderem Gebrauch verfertigt, pfundweise mit der Butter zu gleichem Preise. Die Süßmilchkäse, eine zweite Art, zu welchen bloß süße Milch genommen wird, gelten 100 Pfund etwa 21 bis 25 Mark. Eine dritte, schon schlechtere Art sind die halb aus süßer, halb aus zwölfstündiger abgerahmter Milch verfertigten Zwölf- und Süß-Käse. Eine vierte Art sind die aus zwölf- und vierundzwanzigstündiger abgerahmter Milch verfertigten Zwölf- und Vierundzwanziger Käse, zu welchen bloß die auf gewöhnliche Art abgerahmte Milch genommen wird. Solche werden aber nur wenige gemacht. Unter dem allgemeinen Namen der Marschkäse sind alle diese Arten überall im Land geschätzt und haben auch in Hamburg guten Absatz.
Eine besondere Spezialität: der grüne Käse. Vorweg sei auf eine Nachricht aus der Frankfurter Rundschau vom 8. Mai 2001 hingewiesen: “Kaum Asthma in Kuhstall. Keime schützen vor Allergien.” Nach einer neuesten Studie aus Bayern leiden Kinder auf Bauernhöfen 15-mal seltener an Heuschnupfen und Asthma als Stadtkinder. Voraussetzung: sie halten sich schon als Kleinkinder im Stall auf. “Stallluft ist gesund und härtet ab”, erklärte des bayerische Umweltminister Werner Schnappauf (CSU). Der nachfolgend beschriebene Käse muss daher geradezu als Heilmittel angesehen werden. Nachteilige Wirkungen sind jedenfalls nicht überliefert.
Es heißt in einem Bericht von 1872: “In den Jahren um 1816 machten viele Holländer noch grünen mit Schafsmist gefärbten Käse. Da mussten ein oder zwei Mädchen etwa 4 Kannen (ca. 7 Liter) Schafsmist sammeln.Dieser wurde in 10 Kannen heißer Milch aufgelöst und in Leinwand ausgepresst. Die grüne Jauche goss man in die für den Käse vorgesehene Milch, bevor Lab hinein kam. Wenn diese Käse 8 bis 9 Wochen alt waren, hatten sie eine schöne gelb-grüne, olivgrüne Farbe und schmeckten viel besser, als die weißen. Mit einem Fuder grünen war ich in der Heuernte zum Bornhöver Markt. das war der Seltenheit wegen ein Greifen danach. Ich hätte leicht noch ein Fuder mehr verkaufen können und bekam reichlich ein Viertel Schilling mehr für das Pfund.” aus: Die Milch, 1996, S. 156
Zusammengestellt aus: Die Milch, Geschichte und Zukunft eines Lebensmittels, 1996