Wie frisch ist „Frischfisch“?
Was ist bei Seefisch eigentlich unter „frisch“ zu verstehen? Frisch ist ein Fisch solange er noch (fast) alle positiven Eigenschaften in optimaler bis guter Ausprägung aufweist, die er unmittelbar nach dem Fang besaß. Seefisch wird von alters her im küstennahen Bereich von Kuttern, im küstenfernen Bereich (Hochsee) von Trawlern und zunehmend von Verarbeitungsschiffen (Fabrikschiffe, Vollfroster) gefangen. Im Gegensatz zu Norwegen, Dänemark, Island oder Japan liegen für Deutschland die Fangplätze der Hochseefischerei weit entfernt und Frischfisch kann erst nach längerer Transport- und Lagerzeit angelandet werden. Im Allgemeinen ist Frischfisch mindestens 6 Tage, höchstens 15 – 18 Tage alt, wenn er in Bremerhaven oder Cuxhaven ankommt und im Gebiet Island / Grönland gefangen wurde. Man kann durchaus 10 Tage für das eigentliche Fischen sowie 5 weitere Tage für die Rückfahrt nach Deutschland rechnen. Irreführend sind jedoch Aussagen wie z.B. in einer Broschüre mit „Informationen und Warenkunde rund um das Thema Fisch“
„Dank modernster Transportlogistik dauert es meist nur wenige Stunden, bis die an Bord der Fangschiffe bereits auf Eis gelagerten Fische verlockend in der Auslage der Fischhändler liegen.“ Von den Tagen (Nicht Stunden!) auf See wird wohlweislich nicht gesprochen.
Unmittelbar nach dem Fang wird der Fisch geschlachtet, d.h. ausgenommen, ausgeblutet und gewaschen. Besonders ein sorgfältiges und intensives Waschen ist wichtig, um die Keimzahlen vor der Eislagerung zu reduzieren. Der Fisch wird sodann im Schiff in Eis gelagert und somit auf etwa null Grad Celsius temperiert.
Der wesentliche Kühleffekt des Eises liegt im großen Wärmeverbrauch beim Schmelzen, also beim Übergang von festen in den flüssigen Aggregatszustand
(Eis → Wasser). Dabei werden 80 kcal / kg benötigt. Daher kommt es auf einen guten Kontakt zwischen Eis und Fisch an, d.h. auf eine sorgfältige Stauung von Fisch und Eis durch die Mannschaft. Wichtig ist auch das Entfernen des ablaufenden Schmelzwassers, das eine Mischung aus Eiweiß, Schleimsubstanzen der Haut, Blutwasser und Bakterien darstellt. Bei allen Lager- und Transportvorgängen, also auch nach der Anlandung und der Auktion, muß auf eine strikte Einhaltung der Temperaturen geachtet werden. Auch kurzfristige Temperaturerhöhungen, die sich nicht sofort auf die Qualität des Frischfischs auswirken, tragen jedoch zu ihrem vorzeitigen Verderb bei.
Der Verbraucher sollte den Fisch gekühlt, zumindest jedoch isoliert, schnell vom Händler zum hauseigenen Kühlschrank transportieren und ihn dort höchstens einen Tag aufbewahren, da Haushaltskühlschränke meistens Temperaturen von + 6
bis +8 °C aufweisen. Für den Verbraucher ist es oft schwierig die Frische des Fisches zu bestimmen. Einen frischen Fisch erkennt man am glasklaren, durchsichtigen Schleim, der die Haut umhüllt, an dem klaren, gewölbten Auge sowie an den glänzend roten Kiemen. Ein frischer Fisch hat keinen „Fischgeruch“, er riecht etwas nach Meer und Seetang. Der im Binnenland oft als typisch angesehene „Fischgeruch“ beinhaltet bereits einige Komponenten des einsetzenden Verderbs. Bei den im Handel zunehmend angebotenen Fischteilen, z.B. Filets, ist eine Frischebestimmung ungleich schwieriger. Man kann nur noch – falls möglich – seinen Geruchssinn benutzen sowie die Fingerprobe anwenden: bei frischem Fisch kehrt die Muskulatur nach Druck (Fingerprobe) unmittelbar wieder in den ursprünglichen Zustand zurück. Mit abnehmender Frische gehen Elastizität und Festigkeit verloren, so daß gegen Ende der Haltbarkeit der Fingereindruck in der dann weichen und plastischen Muskulatur erhalten bleibt. Ein weiteres Merkmal mangelnder Frische (längere Lagerzeit) liefert das sog. „gaping“ (gap (engl.) = Spalte, Lücke, Zwischenraum), d.h. das Auseinanderklaffen der einzelnen Muskelsegmente des Filets.
Sachgemäß im schmelzenden Eis, also bei null Grad Celsius gelagerter Frischfisch behält je nach Fischart seine optimale Qualität (Klasse E „extra) gemäß EU-Klassifizierungsnorm bis maximal zum 5. Lagertag. Sehr gute Qualität (Klasse A) kann bis zum 10 – 12 Lagertag aufrechterhalten werden. Noch gute bis befriedigende, verzehrsfähige Qualität (Klasse B) noch bis zum 18. Lagertag nach dem Fang, vorausgesetzt die Kühlkette wurde zu keinem Zeitpunkt unterbrochen und der Fisch unmittelbar nach dem Fang schnell und sauber geschlachtet und gewaschen. In diesem Stadium ist höchste Hygiene von größter Bedeutung.
Es sollte erwähnt werden, daß bei der Überschreitung der Grenze zur Verzehrsfähigkeit der Fischmuskel hohe Keimzahlen (108 – 109 Keime je Gramm) enthält. Für den Menschen pathogene Keime kommen jedoch in kühl gelagertem Fisch so gut wie nie vor und wenn, dann nur in äußerst geringen Mengen, von denen keine Gefährdung ausgeht. Die Keime werden bei sachgerechter Zubereitung des Fisches (Erhitzung!) überwiegend abgetötet und führen somit bei den in Deutschland überwiegend verzehrten Fischarten zu keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung.
Eine Ausnahme bilden Fische aus den Familien der Thun- und Makrelenarten. Diese dürfen auch nach Erhitzen nicht verzehrt werden, wenn sie Anzeichen von Verderb aufweisen, um mögliche Unverträglichkeiten durch eventuell vorhandene biogene Amine zu vermeiden.
Text: Nikolaus Barkow