Bio und/oder Slow: Wie passen die beiden zusammen?
Das Thema Bio und Slow bot beim Stammtisch im Februar reichlich Material für eine lebhafte Diskussion darüber, ob Bio automatisch auch Slow ist oder Slow auch immer Bio sein muss. Herr Witt, der Bio-Essen für Kindergärten und Schulen anbietet und für den Abend unser Gastgeber war, konnte viel Insider-Wissen über die Bio-Branche beitragen. Die Diskussion hier nachzuzeichnen sprengt den Rahmen – daher ist dies ein Versuch, die Schnittmenge und die Differenzen von Slow und Bio zusammenzufassen.
Das Ziel von Bio-Produzenten, Produkte ohne Belastung für die Umwelt und ohne Schadstoffe für denen der sie isst, anzubieten ist natürlich sehr positiv und durchaus im Sinne von Slow Food, denn das sind „saubere“ Produkte. Ein Produkt muss aber nicht notwendigerweise Bio sein, um auch Slow sein zu können. In der boomenden Bio-Branche gibt es Entwicklungen, die unter dem Slow Food Gedanken nicht zu begrüßen sind. Und es gibt viele Produkte, die auch ohne Bio zu sein, allen Slow Food Kriterien entsprechen. Es gibt also keine einfache Regel: alles was Bio ist, ist auch Slow oder Slow muss immer Bio sein. Eher kann man sagen: Bio kann Slow sein, muss es aber nicht.
Bio kann auch Slow sein
Was macht Produkte aus, die Bio und Slow sind? Hervorragender Geschmack ist natürlich die Grundvoraussetzung für alle Produkte, die Bio und gleichzeitig Slow sind. Bio Produkte, die gleichzeitig auch Slow sind, sind:
- saisongerecht (z. B. bei Obst und Gemüse und Produkten draus),
- in der Region produziert,
- genusshandwerklich hergestellt und
- gelangen zu fairen Preisen auf den Markt.
Bio ist nicht automatisch gleich Slow. Hie einige Punkte, an denen Bio und Slow auseinander gehen.
Ohne Zertifizierung, ob bei den Anbauverbänden mit ihren strengeren Regeln oder dem staatlichen Bio-Siegel mit etwas weicheren Kriterien, geht im Bio-Bereich heute gar nichts mehr. Für kleinere Betriebe, die im Grunde gemäß Bio-Kriterien wirtschaften, rechnet sich die relativ teure Zertifizierung oft nicht. Betriebe, die nur in kleinen Punkten von den Kriterien abweichen, produzieren auch umweltverträgliche Produkte oder arbeiten mit alten Sorten oder traditionellen Rezepturen, würden aber nie eine Bio-Zertifizierung erhalten – Slow sind sie aber allemal.
Bio-Obst und -Gemüse oder andere Produkte, die außerhalb der Saison auf langen Wegen aus dem Ausland zu uns transportiert wird, ist nicht mehr Slow. Die Regionalität und Saisonalität, die für Slow Food wichtig sind, geht hier verloren. Zudem leidet die Umwelt unter dem Energieverbrauch auf den Transportwegen.
Bio-Fertigprodukte, Bio-Convenience oder Bio-Fast-Food schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Anzahl hochverarbeiteter Produkte in Bio-Qualität wird immer größer, viele konventionelle Varianten werden einfach nachgeahmt. Das entspricht nicht der Slow Food Philosophie – nicht hinsichtlich des Geschmacks und nicht hinsichtlich der Förderung der Ess- und Genusskultur.
Der Bio-Boom in Discountern und großen Ketten des Lebensmitteleinzelhandels bringt größeren Preisdruck in die Bio-Branche. Kleine Produzenten können da oft nicht mithalten und verlieren Absatzmöglichkeiten, müssen teilweise schließen. Größere Betriebe müssen z. B. rationalisieren, noch größer werden, mehr Monokultur anbauen. Im In- wie Ausland gibt es immer mehr „Bio-Agrarfabriken“. Hier entwickeln sich Strukturen, die aus der konventionellen Lebensmittelwirtschaft bekannt sind und nicht mehr der Idee von Slow Food entsprechen. Bei diesen Entwicklungen wird auch Bio-Betrug zunehmend attraktiver.
Produkte, die dem Slow Food Gedanken entsprechen, haben ein „Gesicht“ – sehr wahrscheinlich kennen Sie die Person oder den kleinen Betrieb, der hinter den Produkten steht. Sie können Kontakt aufnehmen und Fragen stellen und merken, dass hier Menschen aus Überzeugung und mit viel Liebe hinter ihren Produkten stehen. Wenn das bei einem Bio-Produkt auch der Fall ist, ist es sehr wahrscheinlich auch ein Slow-Bio-Produkt.
In unserem Alltag wird es uns nicht immer gelingen, unsere Speisekammern nur mit Slow Food gerechten Produkten zu füllen – da kann Bio schon eine sehr gute Alternative zu vielen konventionellen Produkten sein. Wir sollten aber auch nicht zu streng sein und immer nur Richtlinien, Regeln und Kriterien in den Vordergrund stellen – schließlich wollen wir uns mit Freude und Genuss dem Essen widmen.