Die Entdeckung der norddeutschen Gasthausbrauerei
Der Bierkonsum in Deutschland schwindet. Viele etablierte Brauereien und Brauereistandorte werden geschlossen. Aber trotzdem bleibt die Anzahl der Brauereien unter dem Strich gleich, welches wir steten Neugründungen von Gasthausbrauereien in Deutschland verdanken.
Traditionell gesehen sind Gasthausbrauereien hierzulande nichts Neues, nur sind auch diese in der Vergangenheit durch Nachwuchsmangel, Kostendruck und Kriege überproportional geschwunden. Das, was sich zumindest in Norddeutschland uns Verbrauchern vermehrt präsentiert ist eine Neuerfindung dieser althergebrachten Art der regionalsten Form des Biervertriebs. Inspiriert wurde diese Entwicklung kurioserweise durch den Re-Import dieser Idee aus den U.Sbier.A., denn dort floriert seit den 70er Jahren die Klein- und Gasthausbrauereiszene, die das Angebot dort auf über 2.000 Brauereien hat ansteigen lassen, über 65% Brauereien mehr als in Deutschland.
In Deutschland präsentiert sich die neue Form der Gasthausbrauerei als bewusstes Gegengewicht zu diversen Formen der Vereinheitlichung in der Brauwelt. Es werden absichtlich geschmacklich alternative Biere hergestellt. Typische Attribute dieser kleinen Biere sind Frische, ein gehobener Qualitätsanspruch durch hochwertigere Zutaten und handwerkliches Engagement, sowie Nicht-Filtration, um alle originären Geschmacksstoffe zu erhalten. In mehreren Fällen wird auch auf ein Angebot von alternativen Biersorten Wert gelegt, denn die Grenze des Angebots bestimmt der Brauer und seine Kreativität, bzw. wie überzeugend dieser das Angebot seinen Kunden schmackhaft machen kann. Gasthausbrauereien verstehen sich auch oft als Bollwerk gegen den „modernen“ Weg der Vereinheitlichung und bringen dies dann durch bewusst historische Standorte zum Ausdruck.
Obwohl ein eindeutiges Brauereigefälle gen Süddeutschland existiert (1000 der 1200 deutschen Brauereien befinden sich in Bayern und Baden-Württemberg) gibt es ca. 35 Brauereien in Norddeutschland, die als Klein- oder Gasthausbrauerei zu klassifizieren wären. Der größte Teil dieser Brauereien besteht aus stationären Gasthausbrauereien, d.h. wer diese Biere genießen will, der muss schon den Weg zu dieser Brauerei machen, denn einen Vertrieb außerhalb der eigenen vier Wände gibt es in der Regel nicht.
Der Genuss dieser Bierspezialitäten stellt eine wieder belebte Tradition erster Güte dar. Die Brauereien arbeiten unter dem Motto „Aus der Region für die Region“. Oft sind sie aber über die Ortsgrenzen hinaus unbekannt. Um das öffentliche Interesse für diese „Kultur vor der Haustür“ zu stärken hat die Verbraucherinitiative Kampagne für gutes Bier e.V. im August 2005 eine Verkostungsveranstaltung mit einer Auswahl norddeutscher Gasthausbrauereien in Hamburg organisiert. Interessierten Geniessern aus der Region Hamburg wurde gezeigt, was norddeutsche Gasthausbrauereien zu bieten haben. Für viele Besucher war es eine Sensibilisierung für den Umstand, dass es neben den üblichen Supermarkt-Bieren noch eine weitere, viel aufregendere Welt des Bierangebots gibt.
Das gastgebende Brauhaus war das Joh. Albrecht in der Hamburger Innenstadt. Joh. Albrecht ist ein Brau-Gerätehersteller, sowie ein Gastronomiekonzept mit sechs bierStandorten in Deutschland. Das Brauhaus Joh. Albrecht in Hamburg wurde 1990 als das erste dieses Gastronomiekonzepts eröffnet. Das Angebot an selbstgebrauten Bieren wird eigenständig durch den verantwortlichen Brauer (in Hamburg: Ricardo Lascano) entschieden. Auch werden gelegentlich „Gastbiere“ anderer Gasthausbrauereien angeboten.
Mit dabei war auch die älteste Hamburger Gasthausbrauerei, der 1986 eröffnete Gröninger Braukeller, welcher sich in historischen Gebäuden an der Ost-West-Strasse und gegenüber der Speicherstadt in der Strasse Zippelhaus mit der Brauerei Hanseat befindet.
Illustrer Mitaussteller der Präsentation war die Asgaard Brauerei Schleswig. Herr Carius persönlich hat der interessierten Verbraucherschar eine Auswahl von Bieren mit Zutaten aus ökologisch kontrolliertem Anbau vorgestellt. Die Biere sind betont schlank im Geschmack, was bei dem sehr breiten Angebot an eher vollmundig hergestellten Bieren in Deutschland eine wahre Seltenheit ist. Die Brauerei pflegt zudem ein ausgeprägtes Wikinger-Image.
Ein weiterer Mitaussteller war das Buxtehuder Brauhaus. Eine besondere Spezialität konnten die Verantwortlichen, Herr Laser und Herr Domagala, leider nicht präsentieren, denn deren nur in der winterlichen Festzeit erhältliches Weihnachtsbock enthält eine Reihe von Gewürzen (z.B. Zimt und Nelken). Das Brauen mit Gewürzen ist auch in der deutschen Braukultur eine sehr alte Tradition, allerdings hierzulande seit ca. 200 Jahren faktisch ausgestorben, da dies nicht reinheitsgebotkonform ist.
Erwähnenswert sind auch zwei Brauereien, die nicht anwesend waren. Die Ricklinger Brauerei, die in jedem Fall den Anspruch auf charaktervolle Biere erfüllt, denn der Eigentümer/Brauer Herr Lämmer ist ein pensionierter Braumeister, der durch seine exbiertrem breite Brauerei-Erfahrung eine stark anti-kommerzielle Meinung entwickelt hat – dies zeigt sich z.B. durch angebotene Biere, wie das Ricklinger Stout und Ricklinger Porter.
Eine andere hervorzuhebende Brauerei ist die Braumanufaktur Forsthaus Templin in Potsdam. Die Brauer/Eigentümer Herr Kirchhoff und Herr Köhler pflegen ein besonderes Interesse traditionelle Brauverfahren und –sorten zu erhalten. So hat sich die Brauerei zweier ausgestorbener Lokalbiere angenommen, dem Werderschen und der Potsdamer Stange.
Lars Seyfrid Kampagne für gutes Bier e.V. lars(hier bitte das “at” Zeichen einsetzen)kgbier.de oder seyfridl(hier bitte das “at” Zeichen einsetzen)compuserve.de
Aktuellen Liste norddeutscher Kleinbrauerei
www.kgbier.de/KleinBrauereien_Norddeutschland.htm
WebSite der Kampagne für gutes Bier e.V. www.kgbier.de
WebSite der Kampagne für gutes Bier in Österreich www.kgbier.at
WebSite der Campaign for Real Ale (CAMRA) www.camra.org.uk
WebSite De vereniging Promotie INformatie Traditioneel Bier (PINT) www.pint.nl
WebSite für Brauereien national und international www.beerme.com
Gutes Bier für gute Verbraucher oder wer ist Kampagne für gutes Bier e.V. ? Kampagne für gutes Bier e.V. ist eine private Verbraucherinitiative, die sich im April 2003 in Hamburg gegründet hat. Entstanden im vergleichbaren Geiste wie CAMRA in Großbritannien oder PINT in Holland steht die Kampagne für Verbraucheraufklärung und Differenzierung bei Bieren. Entstanden in enger Abstimmung mit der Kampagne für gutes Bier in Österreich konzentriert sich die hiesige Verbraucherinitiative auf die Verbreitung von fundierter Information zum Thema Bier und die Organisation von öffentlichen Verkostungsveranstaltungen. Derzeitiges Kernstück der Aktivitäten besteht in der Organisation von kompakten Informations- und Verkostungsveranstaltungen in Anwesenheit der Brauereien. Bis dato hat eine Präsentation von oberfränkischen Brauereien im September 2004 und eine Präsentation von Gasthausbrauereien im August 2005 stattgefunden. Jährliche Veranstaltungen dieser Art sind geplant.
Weitere Informationen unter www.kgbier.de oder email an lars(hier bitte das “at” Zeichen einsetzen)kgbier.de.