Fett ist nun mal Geschmacksträger. Wurst und Schinken von den heute gängigen Magerschweinen sind darum nur eine halbe Sache. Die Angeler Sattelschweine, wenn man sie alt genug werden läßt, lagern das Fett zwischen den Muskelfasern ein, und dann schmeckt die Sau. Nicht selten werden Angeler Sattelschweine mit anderen Rassen gekreuzt. Richtig gut ist das Fleisch aber, wenn Vater und Mutter reinrassige Angeler sind.
Das Angeler Sattelschwein gibt es seit den zwanziger Jahren. Die schnelle Verbreitung verdankte die Rasse ihrer hervorragenden Muttereigenschaften, der guten Weidefähigkeit und ihrer Anspruchslosigkeit in der Haltungsform. Eine tragende Sattelsau kann sich ausschließlich von Gras auf der Weide ernähren.
Nach dem Krieg war das Angeler Sattelschwein die in Schleswig-Holstein am weitesten verbreitete Schweinerasse. Aber dann stieg die Nachfrage nach magerem Fleisch ohne Fettauflage. Die hervorragende Qualität des gut durchwachsenen, marmorierten Fleisches spielte demgegenüber keine Rolle. Seit Anfang der siebziger Jahre ist es vom Markt fast verschwunden.
Ein Schwein mit einem Sattel ?
Als in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die fetten Jahre des Wirtschaftswunders in Deutschlang begannen, läutete dies den Niedergang der fetten Haustierschweinerassen ein. Gefragt wurde mit steigendem Wohlstand mageres Fleisch.. Anfang der siebziger Jahre verschwand das Angler Sattelschwein fast unbemerkt aus den Fleischereigeschäften. Im Jahre 1991 gab es nur noch neun Sauen und einen Eber in Schleswig-Holstein. Ein unglaublicher Niedergang, wenn man bedenkt, dass im Jahre 1936 über 80.000 Angler Sattelschweine in Schleswig-Holstein und davon rund 52.000 in der Region Angeln – ihrem Ursprungsgebiet – gehalten wurden. Gegenüber den„modernen“ Schweinerassen war der Speckmantel zu dick, der Fleisch- und Schinkenanteil zu gering. Verlangt wurde mageres Fleisch, die Marmorierung war unwichtig und billig sollte es sein.
Das Angler Sattelschwein verdankt seinen Namen dem „weißen Sattel“, der sich über die Schulter und die Vorderbeine hinzieht. Typisch sind die Schlappohren sowie die beim Eber gerunzelte Stirn. Es ist eine großrahmige Rasse, bei der das Gewicht der Sauen 300 kg und der Eber 350 kg betragen kann. Die Körpergröße der Sauen beträgt bis zu 84 cm und der Eber 92 cm. Das Schwergewicht unter den deutschen Schweinrassen.
Positive Eigenschaften sind seine außergewöhnliche Fruchtbarkeit, hervorragende Muttereigenschaften, gute Futterverwertung und Zunahmen sowie eine ausgezeichneten Fleischbeschaffenheit. Es ist robust, anspruchslos, vital und besitzt ein ruhiges Temperament. Da es sich fast ausschließlich von Rauhfutter wie Heu, Gras und Stroh ernähren kann, eignet es sich hervorragend für ökologisch wirtschaftende Betriebe mit Hütten- und Weidehaltung.
Bis zum 19. Jahrhundert wurde in Schleswig-Holstein das „Holsteinische und Jütländische Marschschwein“ gehalten, vom dem das Angler Sattelschwein abstammt. Zur Verbesserung der Zucht machte sich im Jahre 1926 der Süderbraruper Landwirt J. Carstensen nach England auf und kaufte dort eine tragende Sau der Wessex- Saddleback-Rasse. Im Jahre 1929 wurde von neun Züchtern der „Verein der Züchter des Angler Sattelschweins“ gegründet. Die Züchter anderer Rassen versuchten die Tätigkeit des Vereins zu stören und fürchteten das Schwein als „schwarze Gefahr“. Im Jahre 1934 wurde vom Reichsnährstand ein Verbot der Rasse ausgesprochen. Wahrscheinlich waren die Tiere nicht blond genug. Im Jahre 1937 wurde das Verbot aufgehoben.
Südlich des Nord-Ostseekanals aber durften nur Sattelschweinsauen gedeckt werden. Als Sattelschweineber dort mit Sauen anderer Rassen anbändelten, erklärten die Bauern „Dat is de Bewies, dat Swin swemmen köönt“ Es gibt keine Schweinerasse in Europa, in die nicht zur Leistungsverbesserung andere Rassen eingekreuzt wurden. Durch die englische Wessex-Saddleback-Rasse, in die das Chinesische Maskenschwein eingekreuzt worden war, erhielt das Angler Sattelschwein einen chinesischen Tupfer durch die gerunzelte Schnauze. Angler Sattelschweine und das Schwäbisch-Hällische Schwein wurden wechselseitig gekreuzt. Eine Kreuzung des Bunten Bentheimer Schweins mit dem Angler Sattelschwein fand nicht den Beifall der Bentheimer Züchter. Beide Rassen haben es aber überlebt.
Im Jahre 1992 entwickelte sich das Angler Sattelschwein zum „Wendegewinner“. Engagierte Züchter konnten mit Unterstützung des Schweinezuchtverbandes Schleswig-Holstein und der Landesregierung von der ehemaligen LPG Hirschfeld in Sachsen 50 Sauen und 4 Eber des Sattelschweines erwerben, die dort als Genreserve gehalten wurden. Inzwischen dürfte der Bestand bei rund 230 Sauen und 12 Ebern liegen.Im Jahre 1996 wurde in Angeln der „Förderverein Angler Sattelschwein“ gegründet.
Das Angler Sattelschwein zeichnet eine hohe Stressresistenz aus. Diese hat Auswirkungen auf die Fleischbeschaffenheit einschl. Marmorierung und den Gehalt an intramuskulärem Fett. Eine Untersuchung im Jahre 1973 hat einen Zusammenhang zwischen erhöhten Fleischanteil, verminderter Fleischqualität, geschwächtem Herz-Kreislaufsystem und kleineren Steuerorganen festgestellt. Die Erkenntnis daraus: das gesunde Schwein braucht Speck auf den Rippen. Für die Qualität des Fleisches sind auch die Weidehaltung und ein langsames Wachstum von Bedeutung. Die gefüllte Schweinerippe (frei nach dem Rezept aus „Kulinarische Reise durch Schleswig-Holstein“ von Jutta Kürtz) wartet auf den Anschnitt.
Adressen
Adressen der Züchter sind beim Förderverein Angler Sattelschwein e.V. www.angler-sattelschweine.de zu finden. Bezugsquellen
Fleisch und Wurstwaren nach Biolandrichtlinien über den Lieferservice des Biohofes Spannbrück, 24409 Gulde, Telefon 04642/2949, www.biohof-spannbrueck.de
Thordsen Fleischwaren, Wurstwaren und Räucherlachsspezialitäten e.K. Inhaber: Christian Woska, 24997 Wanderup, Husumer Str. 1; Telefon: 04606 965596
Hier finden Sie den Aufnahmeantrag für die Arche des Geschmacks
Copyright der Fotos: Stefan Abtmeyer
Text: Olaf Ehrigsen